Sorgerecht, Umgang - ohne Gericht regeln?
Nach einer Trennung müssen Eltern überlegen, wie sie ihre Beziehungen zu den gemeinsamen Kindern gestalten wollen. Das Gesetz unterscheidet zwischen der elterlichen Sorge, auch Sorgerecht genannt, und dem Umgang, also dem tatsächlichen Kontakt zum Kind. In der Regel sind Eltern zu beidem verpflichtet und berechtigt.
Das Sorgerecht kennt zwei Hauptbereiche, die "Sorge für die Person des Kindes (Personensorge)", und die Sorge für sein Vermögen (Vermögenssorge), § 1626 Abs. 1 BGB.
Der Umgang wird in erster Linie als Recht des Kindes verstanden: zu dessen Wohl gehöre der Umgang mit beiden Elternteilen, aber auch zu anderen Bezugspersonen, die für seine Entwicklung wichtig sind, gleiches gilt für Großeltern und Geschwister, auch zu ihnen soll der Kontakt nicht abreißen (§ 1685 BGB).
1) Gemeinsames Sorgerecht - wann besteht es?
Waren Eltern bei der Geburt des Kindes miteinander verheiratet, sind sie gemeinsam sorgeberechtigt. Bei dieser Gesamtvertretung sind zwei Sphären zu unterscheiden, zum einen das Innenverhältnis zwischen den beiden Elternteilen, und das Außenverhältnis, also die Vertretung gegenüber Dritten wie z. B. der Schule.
Im Innenverhältnis ruft das Gesetz die Eltern zu Kooperation auf: sie sollen die elterliche Sorge, die wie gesagt Pflicht und Recht ist, "in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes ausüben", und bei Meinungsverschiedenheiten versuchen, sich zu einigen (§ 1627 BGB).
Im Außenverhältnis vertreten sie das Kind gemeinschaftlich, sie müssen also an einem Strang ziehen, damit eine Erklärung, die sie für das Kind abgeben, rechtlich wirksam ist, wie z. B. die Anmeldung im Kindergarten, die Beantragung eines Reisepasses, die Eröffnung eines Kontos oder die Einwilligung in eine Operation (§ 1629 BGB).
Waren die Eltern bei der Geburt nicht miteinander verheiratet, hat die Mutter das alleinige Sorgerecht (§ 1626a BGB). Der Vater wird beteiligt, wenn die Eltern nachträglich heiraten oder erklären, die Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen. Diese Sorgeerklärung muss öffentlich beurkundet werden, um wirksam zu sein (§ 1626d BGB), etwa bei einem Notar, einem Jugendamt oder im Gerichtssaal, wenn sie anlässlich eines Beteiligungsantrages des Vaters vom Gericht protokolliert wird (§ 155a FamFG).
2) Gemeinsames Sorgerecht - wie wird es beendet?
Das gemeinsame Sorgerecht ist kein Rechtsgeschäft, kein Vertrag, den die Eltern kündigen könnten. Es ist ein gesetzliches Rechtsverhältnis, das auch nach der Trennung der Eltern erhalten bleibt, mit allen Pflichten und Rechten. Es ist Eltern nicht möglich, auf das Sorgerecht zu verzichten oder es auf andere zu übertragen.
Übertragen kann es nur das Familiengericht, jeder Elternteil kann nach einer Trennung das alleinige Sorgerecht beantragen, komplett oder für einen bestimmten Bereich, wie etwa die Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes, seine schulischen Angelegenheiten oder die Gesundheitssorge (§ 1671 BGB).
Das Gericht muss dem Antrag stattgeben, wenn der andere Elternteil, dessen Sorgerecht beschnitten werden soll, dem Antrag ausdrücklich zustimmt, oder wenn das Gericht nach eingehender Anhörung zu der Überzeugung kommt, dass die Übertragung "dem Wohl des Kindes am besten entspricht".
3) Alternativen zur Entziehung des Sorgerechts
Wenn das Gericht das gemeinsame Sorgerecht aufhebt und zugleich einem der beiden Elternteile das alleinige Sorgerecht überträgt, vollständig oder für einzelne Bereiche, wird das vom anderen Elternteil häufig als schwere Kränkung erlebt, als Strafe, und als Trennung vom Kind. Letzteres ist weder vom Gesetz noch vom Gericht beabsichtigt, aber leider oft die Konsequenz: sobald ein Elternteil allein "regieren" kann, wird er den anderen deutlich seltener einbeziehen. Auf diese Weise wird die Distanz zum Kind vergrößert, und das Kind wird mit der Zeit das Gefühl entwickeln, der andere Elternteil habe sich abgesetzt und wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben.
So etwas lässt sich vermeiden, sofern sich die Eltern ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft erhalten. Häufig ist nicht die "Schlechtigkeit" des anderen Elternteils der Grund für den Antrag auf alleiniges Sorgerecht, sondern die Erfahrung, dass es bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts regelmäßig zu Schwierigkeiten kommt: mal ist der andere Elternteil anderer Meinung, mal ist er nicht erreichbar - oder er lässt sich auch dort viel Zeit, wo schnell reagiert werden muss.
Für solche Fälle kann sich z. B. der Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt, eine Sorgerechtsvollmacht erteilen lassen, von dem anderen Elternteil. Mit der Vollmacht wird nicht auf das Sorgerecht verzichtet, es wird auch nichts auf den betreuenden Elternteil übertragen. Der Vollmachtgeber bleibt vollständig am gemeinsamen Sorgerecht beteiligt, er hat nicht weniger Rechte als vorher. Seine Vollmacht hat lediglich die Funktion, eine einheitliche Alleinvertretung durch den betreuenden Elternteil zu ermöglichen, damit dieser "befreit von den Beschränkungen der Gesamtvertretung unmittelbar für das Kind handeln kann" (Bundesgerichtshof, 29.04.2020, XII ZB 112/19).
Der die Vollmacht erteilende Elternteil bleibt weiterhin in der Pflicht: Sollte die Vollmacht in bestimmten Bereichen nicht akzeptiert werden, muss er daran mitwirken, dass das Kind von beiden Elternteilen gemeinschaftlich vertreten wird, durch übereinstimmende Willenserklärungen. Sollte er feststellen, dass der andere die Vollmacht missbräuchlich verwendet, also nicht im Interesse des Kindeswohls, ist er verpflichtet, die Vollmacht zu widerrufen, auf sein Widerrufsrecht kann er nicht verzichten.
4) Abwehr eines Antrages auf alleiniges Sorgerecht
Die Erteilung einer solchen Sorgerechtsvollmacht kann davor schützen, dass einem das Sorgerecht entzogen wird. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung der Alleinsorge auf einen der beiden Elternteile ist ein Eingriff in das vom Grundgesetz geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG). Ein solcher Eingriff muss verhältnismäßig sein, und das ist er zum Beispiel nicht, wenn mildere Mittel zur Verfügung stehen (Bundesverfassungsgericht, 01.03.2004, 1 BvR 738/01).
Ein solches milderes Mittel kann eine Sorgerechtsvollmacht sein, sie kann eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, sofern sie den Elternteil, dem die Vollmacht erteilt wird, verlässlich in die Lage versetzt, im Interesse des Kindes zu handeln. Eine Vollmacht ist kein Allheilmittel, es werden hin und wieder Situationen auftreten, in denen die Vollmacht nicht akzeptiert wird, etwa bei weitreichenden Rechtsgeschäften oder riskanten Operationen. In solchen Fällen muss der Elternteil, der die Vollmacht erteilt, für den anderen erreichbar sein, um mit ihm gemeinsam - wie früher - übereinstimmende Erklärungen für das Kind abzugeben.
Eine Vollmacht kann eine Sorgerechtsübertragung also nur dann verhindern, wenn beide Elternteile weiterhin ausreichend kooperationsfähig und kommunikationsbereit sind.
Außerdem reicht es nicht aus, die Erteilung einer Vollmacht lediglich anzukündigen. Sie sollte explizit angeboten werden, so konkret, dass der andere sie nur noch nehmen muss. Die Vollmacht muss in dem Zeitpunkt erteilt bzw. angeboten sein, in dem das Familiengericht über den Antrag entscheidet.
5) Elternrecht bleibt trotz Vollmacht erhalten
Wer eine Vollmacht erteilt, hat danach nicht mehr Rechte als vorher. Sie erzeugt kein Weisungsrecht, der Vollmachtgeber könnte dem anderen Elternteil also nicht vorschreiben, was er in Zukunft zu tun hat. Er darf aber Auskunft verlangen, und auf diese Weise den anderen Elternteil ein Stück weit kontrollieren. Das muss er auch, um seiner Elternverantwortung weiterhin gerecht zu werden. Im Übrigen behält er die Rechte, die er sowieso hat: hält sich das Kind bei ihm auf, etwa am Wochenende oder in den Schulferien, hat er die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in allen Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung (§ 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB).
Auch in Notsituationen, das Gesetz spricht von "Gefahr in Verzug", darf ein Elternteil alle Rechtshandlungen allein vornehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind, nur muss er den anderen Elternteil unverzüglich informieren (§ 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB). Dieses Alleinvertretungsrecht besteht trotz Erteilung einer Vollmacht weiter, es beschränkt sich nicht auf klassische Rechtshandlungen, es besteht auch bei Einwilligungen in medizinische Maßnahmen. Bedeutung hat es in erster Linie auf Reisen, bei Unfällen, oder bei Erkrankungen, die plötzlich auftreten, also immer, wenn eine Abstimmung mit dem anderen nicht sogleich möglich ist.
6) Was tun, wenn keine Vollmacht erteilt wird?
Eine Bevollmächtigung kann es nur geben, wenn beide Elternteile einverstanden sein: der eine muss eine Vollmacht erteilen wollen, der andere muss sich bevollmächtigen lassen, also die ihm erteilte Vollmacht auch tatsächlich nutzen. Eine Vollmacht muss keine Einbahnstraße sein, Elternteile können sich wechselseitig bevollmächtigen, damit jeder für das Kind handeln kann, wenn der andere nicht erreichbar ist. So schön es klingt - es funktioniert nicht, wenn sich ein Elternteil verweigert.
In einer solchen Situation kann ein Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts helfen, um Bewegung in die Sache zu bringen. Der Antrag muss nicht das Ziel verfolgen, den anderen auf Dauer vom Sorgerecht auszuschließen. Das Verfahren lässt sich als Forum verwenden, bei dem die Beteiligten an einen Tisch geholt werden, um eine Lösung zu finden. So erwartet es das Gesetz: die Gerichte sollen "in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen hinwirken", und dort getroffene Einigungen schriftlich festhalten. Es kann diese mit einer gerichtlichen Billigung versehen, in Form eines Beschlusses, dann sind sie verbindlich (§ 156 FamFG).
7) Klein anfangen - Muster für Reisevollmacht
Wer dem anderen noch keine Generalvollmacht erteilen will, könnte mit einer Spezialvollmacht anfangen, die auf bestimmte Anlässe beschränkt ist.
Ein regelmäßig im Frühsommer auftretender Anlass: die Flugreise mit dem Kind in ein etwas weiter entferntes Urlaubsland. Wer in Duisburg lebt und in die Niederlande reisen will, oder von München nach Österreich, darf dies in der Regel ohne ausdrückliche Erlaubnis des anderen Elternteils tun, Grenzkontrollen sind dort längst abgeschafft. Ganz anders sieht es bei Flugreisen z. B. in die Türkei oder die USA aus, aus denen man im Notfall nicht immer sogleich zurückkehren kann. Für solche Reisen ist stets die ausdrückliche Einwilligung des anderen Elternteils erforderlich, und diese sollte zudem schriftlich erteilt werden, in Form einer Reisevollmacht.
"Wir, Frau ..., geboren am ..., wohnhaft in ..., und Herr ..., geboren am ..., wohnhaft in ..., sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des am ... geborenen Kindes ... .
Unser Kind wird vom ... bis zum ... mit ... in den Urlaub nach ..., Anschrift ..., reisen. Hiermit erteile ich, ..., für die Zeit dieses Urlaubs die Sorgerechtsvollmacht zur Vertretung des Kindes in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, dazu zählen insbesondere: ...
Für das Aufenthaltsbestimmungsrecht gilt folgende Einschränkung: Eine Bevollmächtigung zu einer Reise, Weiterreise oder Rückreise in ein anderes Land als ... (Urlaubsland und etwaige Zwischenstationen) erfolgt nicht und darf nur mit meiner gesondert einzuholenden Einwilligung erfolgen.
(Datum, Namen der beiden Elternteile, jeweils mit Unterschrift)"
Achtung: Das vorstehende Muster soll eine erste Anregung sein, es ersetzt nicht das eigene Nachdenken und muss für den konkreten Anlass ergänzt werden!
Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Familienrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)